Stadien wurden errichtet, Straßen gebaut und Flughäfen modernisiert: In Russland beginnt eine Fußballweltmeisterschaft, die in zweierlei Hinsicht Maßstäbe setzt. Zum einen ist es die erste WM, die auf gleich zwei Kontinenten ausgetragen wird – in Europa und Asien. Zum anderen wird es mit Kosten von schätzungsweise rund 20 Milliarden US-Dollar das teuerste Fußballturnier aller Zeiten. Während die russische Nationalmannschaft nach ihren eher ernüchternden Testspielen von Superlativen noch immer weit entfernt ist, hat sich bei allen bleibenden Herausforderungen zumindest der Ausblick für die russische Wirtschaft zuletzt verbessert: Nachdem das flächenmäßig größte Land der Welt im Jahr 2016 noch in der Rezession steckte, betrug das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr bereits 1,5 Prozent. Für 2018 prognostiziert die Deutsche Bank eine weitere Beschleunigung auf 1,8 Prozent.
Wirtschaftlich wieder in der Spur
Haupttreiber dieser Entwicklung ist der auf einem stabilen Arbeitsmarkt basierende private Konsum: Die Arbeitslosenquote in Russland befindet sich aktuell auf einem historischen Tiefststand von 4,9 Prozent. Das wirkt sich auch auf die Lohnentwicklung aus: Die Löhne stiegen inflationsbereinigt zuletzt um 7,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das verfügbare Einkommen der Russen legte um 5,7 Prozent zu. Grund für den deutlichen Reallohnanstieg in den vergangenen Monaten waren nicht nur die anziehenden Nominallöhne, sondern auch der kontinuierliche Rückgang der Inflation – ein Trend, der nach Einschätzung der Deutschen Bank weiterhin anhalten dürfte. Zudem unterstützen die gestiegenen Energiepreise die russischen Staatseinnahmen sowie Unternehmensumsätze und -gewinne. Wie nachhaltig der aktuelle ökonomische Aufschwung ist, wird sich jedoch erst noch zeigen müssen. So gilt es zu berücksichtigen, dass die gegenwärtigen Wachstumsraten von einem vergleichsweise niedrigen Niveau ausgehen. Außerdem hat Russland im Vergleich zu anderen Schwellenländern mit 2 Prozent ein schwaches Potenzialwachstum – das heißt ein unter optimaler Kapazitätsauslastung mögliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, ohne Inflation zu generieren. Darüber hinaus bleiben die internationalen Sanktionen gegenüber Russland eine der größten Herausforderungen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Regierung nimmt Wirtschaft in den Fokus
Die russische Regierung hat derweil ihren Willen bekundet, die jüngste Wachstumsgeschichte fortzuschreiben. Wladimir Putin, der im Mai 2018 für weitere sechs Jahre als Präsident vereidigt wurde, verabschiedete kurz darauf ein Strategiepapier. Dieses sieht bis zum Jahr 2024 Armutsabbau, eine niedrige Inflation, eine Verbesserung des Umfelds für Innovationen sowie Investitionen in die Infrastruktur vor. Genaue Maßnahmen, mit denen die Ziele erreicht werden sollen, wurden jedoch noch nicht angekündigt.
Infrastrukturinvestitionen im Vorfeld der WM
Insbesondere mit Blick auf die russische Infrastruktur ist bereits in den vergangenen Jahren viel geschehen – der Fußballweltmeisterschaft sei Dank. Nachdem das Land im Jahr 2010 den Zuschlag für die Ausrichtung des Turniers 2018 erhielt, begannen im Jahr 2013 die konkreten Vorbereitungen. Am Ende dürfte es die teuerste WM aller Zeiten werden: Der Finanzdienstleister Bloomberg kalkuliert für die Ausrichtung in Russland Gesamtkosten in Höhe von umgerechnet rund 20 Milliarden US-Dollar. Die Unternehmensberatung McKinsey geht davon aus, dass die mit dem Turnier verbundenen Investitionen in den fünf Jahren vor der WM-Austragung mit rund 1 Prozent zum russischen Bruttoinlandsprodukt beigetragen haben. Ein bedeutender Teil der Investitionen floss dabei in die Infrastruktur des Landes. Nach Angaben des Fußballweltverbandes FIFA sind beispielsweise 31 Bahnhöfe, 13 Krankenhäuser, 11 Flughäfen sowie zahlreiche Straßen, Kraftwerke und Hotels neu- oder ausgebaut worden – Infrastrukturprojekte, von denen die russische Wirtschaft nach Einschätzung der Deutschen Bank tatsächlich auch über das Turnier hinaus profitieren könnte.
Stadien: unklare Zukunft nach der WM
Für die zwölf neu- oder ausgebauten WM-Stadien ist der Ausblick weniger positiv. Bereits die Bauphase war vielerorts begleitet von negativen Nachrichten. Das gilt beispielsweise für das Stadion in Sankt Petersburg, dessen Bau vor allem durch Kostenexplosionen, Korruptionsverdacht und nordkoreanische Zwangsarbeiter in die Schlagzeilen geriet. Dass die Stadien in Zukunft eine Erfolgsgeschichte schreiben, scheint ebenfalls unwahrscheinlich. Bisher war der Fußball in Russland nicht gerade ein Zuschauermagnet: Im Durchschnitt besuchten in der vergangenen Saison weniger als 14 000 Fans die Spiele in der höchsten Spielklasse Premjer-Liga. Ob sich die Investition in russlandweit zusätzliche 550 000 Zuschauerplätze auszahlen wird, ist daher fraglich, selbst wenn wie geplant die Kapazität der Stadien nach der WM zum Teil wieder reduziert werden sollte. Investoren und Fußballklubs zumindest scheinen daran bereits früh ihre Zweifel gehabt zu haben und beteiligten sich nicht an der Finanzierung, die Risiken liegen daher komplett bei der öffentlichen Hand.
Kaum langfristige wirtschaftliche Impulse
Nachhaltig werden wohl nur einige wenige Infrastrukturmaßnahmen Potenzial für die russische Konjunktur bieten – zum Beispiel die Erweiterungen von Flughäfen und Straßen. Insgesamt dürften sich die positiven Auswirkungen der Fußballweltmeisterschaft auf die langfristige wirtschaftliche Entwicklung Russlands nach Einschätzung der Deutschen Bank allerdings in Grenzen halten. Vor allem die Investitionen in die Sportanlagen und deren Umfeld werden wohl nur kurzfristig Impulse geben – sofern die Auslastung nach der Weltmeisterschaft nicht nachhaltig hoch bleibt. Auch das Touristenaufkommen dürfte ausschließlich in der Zeit während der Weltmeisterschaft steigen. Kurzfristig könnten daher lediglich einzelne Branchen von der Ausrichtung des Turniers profitieren. Neben dem Baugewerbe, das den größten Schub bereits erhalten haben dürfte, könnten das insbesondere Unternehmen aus dem Gastgewerbe, dem Transportsektor oder der Telekommunikationsbranche sein. Diese Einschätzungen werden unter anderem durch die Erfahrungen nach den Olympischen Winterspielen im russischen Sotschi im Jahr 2014 gestützt. Von diesem mit umgerechnet etwa 59 Milliarden US-Dollar noch deutlich teureren Sportevent ist der russischen Volkswirtschaft kaum etwas geblieben. Zwar gastiert die Formel 1 einmal pro Saison am Schwarzen Meer – abgesehen von einigen wenigen genutzten Sportstätten liegt der Großteil der Investitionen mittlerweile jedoch brach.
Russland scheint für Anleger wenig interessant
Beim aus Sicht der Deutschen Bank ohnehin kaum erreichbaren Ziel Putins, Russland bis 2024 von Platz 11 auf Platz 5 der größten Volkswirtschaften der Welt zu hieven, dürfte die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft daher kaum eine Hilfe sein. Immerhin bietet das Turnier aber die Chance, sich als weltoffenes Land zu präsentieren und Imagepflege zu betreiben. Fußballfans werden das Geschehen in Russland in den kommenden Wochen sicher genau im Auge behalten. Trotz guter wirtschaftlicher Fundamentaldaten scheint für Anleger der Blick auf andere Regionen derzeit jedoch interessanter. Denn insbesondere aufgrund der politischen Situation und der internationalen Sanktionen gegenüber Russland scheinen die Unsicherheiten aktuell noch zu groß.
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